Ich und Selbst sind Beschreibungen für Systemkomplexe mit verschiedenen Unterfunktionen. Der zentrale Unter-schied zwischen dem Ich-System und dem Selbst-System, auch das denkende Ich und das fühlende Selbst genannt, ist die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsform der Systeme. 

Das bewusstseinsnahe Ich-System bildet bewusste Ziele und Vorsätze (im Intentionsgedächtnis) und verarbeitet Informationen logisch-analytisch, in sequenziellen Schritten (Algorithmen). Dagegen kann das mehr intuitive Selbst-system allenfalls in jeweils kleinen Ausschnitten bewusst gemacht werden. In einem erweiterten Sinn umfasst das bewusste Ich nicht nur das logische Denken (Verstand), sondern auch die mit dem Denken eng kooperierende Objektwahrnehmung, die in jedem Bewusstseinsmoment eine Einzelheit aus dem gesamten Wahrnehmungskontext heraushebt (Objekterkennungssystem).

Das Selbst bildet ein ständig wachsendes Netzwerk persönlich relevanter Erfahrungen. In diesem Netzwerk können unzählige Erfahrungen gleichzeitig berücksichtigt werden, z. B. wenn man bei Entscheidungen auf sehr viele Dinge intuitiv gleichzeitig achten kann (eigene und fremde Bedürfnisse, Gefühle, Fähigkeiten u. v. m.). Solche Netz-werke zusammenhängender („assoziativer“) Erfahrungen arbeiten nach dem Prinzip der Parallelverarbeitung. Diese umsichtige und umfassende Form der Intuition fördert die persönlich verantwortbare Urteils- und Entscheidungs-fähigkeit.

Das Selbst integriert eigene Gefühle, also einfache „Affekte“, wie Lust und Unlust, aber auch Körper-erfahrungen und komplexere Emotionen (wie Dankbarkeit, Trauer u. v. m.). Diese Gefühle unterstützen die „Navigation“ innerhalb des riesigen Erfahrungsnetzwerks des Selbst: Gefühle signalisieren, an welchen Stellen in diesem Netzwerk mögliche Lösungen und Chancen oder auch Probleme und Gefahren auftauchen können. Der erweiterte Begriff des unbewussten Selbst schließt auch das ebenfalls weitgehend unbewusst arbeitende Handlungsausführungs-system der Intuitiven Verhaltenssteuerung mit ein.